Victoria ist ein alpines Ausnahmetalent und ein ganz großartiger Mensch. Das sind nur ein paar Gründe, warum der Alpenverein Edelweiss die Ausrüstung zu ihrer neuen Expedition gesponsert hat.
Victoria schreibt in den nächsten Zeilen direkt ihre Erfahrungen in Südamerika. Wir wünschen gute Unterhaltung.
Heute vor einer Woche sind wir in Lima gelandet und von dort direkt weitergefahren nach Huaraz, einer netten kleinen Stadt auf ca. 3000 m Seehöhe und Ausgangspunkt für zahlreiche alpinistische Aktivitäten. Auch wenn die Stadt für Nicht-Einheimische etwas chaotisch wirken mag, hat der lokale joie de vivre einen ganz eigenen Charme. Die Peruaner sind sehr gelassene, nette und hilfsbereite Leute, die auch gerne mit einem reden (oder es versuchen), auch wenn man kaum ein Wort Spanisch herausbringt. Supermärkte findet man selten. Alles, was man zum Essen braucht, bekommt man auf Straßenmärkten. Allgemein geht es auf den Straßen recht wild zu. Vorrang hat scheinbar immer der, der am lautesten hupt. Immer wieder sieht man zusammengeflickte Autos, bei denen die Scheinwerfer oder die Tür nur noch durch ein Klebeband an ihrem Platz gehalten werden.
Bis jetzt haben wir die meiste Zeit allerdings nicht in Huaraz, sondern beim Klettern im "bosque de piedras", dem "Wald der Steine" namens "Hatun Machay" verbracht. Er liegt auf über 4200 m Höhe und ist damit angeblich der höchst gelegene Klettergarten der Welt - perfekt für uns zum Akklimatisieren für unsere nächsten Touren. Landschaftlich ist es hier oben zutiefst beeindruckend: Bis auf das kleine Refugio, wo wir campen konnten, ist weit und breit keine Spur von Menschen zu sehen, dafür skurrile Felsformationen aus sandsteinartigem Vulkangestein. Obwohl nur ein kleiner Bruchteil der Felsblöcke mit Bohrhaken versehen ist, gibt es hier mehr als genug zu tun, und die wabenartigen Felsstrukturen bieten geniale Routen in allen Schwierigkeiten und interessante Klettereien, die so in Österreich nirgendwo zu finden sind. Kalt ist es nur, wenn die Sonne verschwindet, und trotz der großen Höhe ist es hier oben grün und voller Leben: Man ist in ständiger Gesellschaft von freilebenden Kühen, Schafen, Schweinen, Hunden und einer hungrigen Katze (die sofort zur Stelle ist, sobald jemand etwas Essbares auspackt), Kolibris und unzähligen stacheligen Pflanzen.
Jetzt gerade sind wir allerdings wieder in Huaraz, am Organisieren und Packen, denn morgen Früh starten wir ins Ishincatal, wo wir für die nächsten 10 Tage unser Basecamp aufschlagen werden. Mit den zum Teil über 6000 m hohen Gipfeln gibt es dort unzählige Möglichkeiten, unsere ersten richtigen Bergtouren zu starten, und auch die Felswände am Anfang des Tals bieten spannende Klettereien und großes Potenzial für neue Routen.
Den nächsten Bericht von unseren Touren im Ishincatal gibt's, wenn wir wieder zurück in Huaraz sind.
Und hier kommt schon der neueste Eintrag:
Seit Dienstag sind wir wieder zurück in Huaraz - irgendein Virus/Bakterium hat 9 von uns 12 erwischt. Magenprobleme und Fieber quält die Betroffenen. Ich gehöre zu den glücklichen drei. Und so haben wir schon nach fünf Tagen unser Basecamp im Ishincatal wieder abgebrochen und sind zurück nach Huaraz, um wieder gesund zu werden und ein wenig klettern zu gehen.
Aber auch in der kurzen Zeit im Ishincatal haben wir viel erlebt. Am Donnerstag, 14.7.2022 starteten wir mit viel zu viel Gepäck, zwei Köchen und 16 Eseln ins Tal. Nach ein paar Stunden Fußmarsch in der brennenden Sonne erreichten wir das Basecamp auf ca. 4400 m, und als wir mit dem Aufbau der Zelte begannen, erlebten wir gleich die erste Überraschung – die ausgeborgten Zelte hatten z. T. gebrochene Stangen oder stanken so sehr, dass sich keiner von uns hineinwagte, und von unserem "Dining Tent" war überhaupt nur die Hälfte der Stangen vorhanden. Mit Gaffa Tape und dicken PVC-Rohren aus einer nahegelegenen Hütte wurde das Problem dann aber gelöst. Von den Köchen wurden wir anschließend mit einem 3 Gänge Menü zum Abendessen belohnt.
Wir hatten viel vor für die nächsten Tage und konnten es kaum erwarten, die beiden 6000er namens Tocllaraju und Ranrapalca zu erklimmen und die mächtigen Felswände weiter draußen im Tal zu erkunden. Ganz so kam es aber leider nicht: Die Klimaerwärmung war auch hier oben zu sehen. Es war viel zu warm, verhältnismäßig wenig Schnee und noch weniger Eis, dafür große Seracs und überhängende Bergschründe, wodurch die Routen auf die beiden hohen Berge nicht, oder nur sehr schwer passierbar waren. Zusätzlich machte uns die Höhe immer noch sehr zu schaffen, und nicht nur das, einer nach dem anderen bekam auch noch Magenprobleme und Fieber.
So mussten wir uns zufrieden geben mit zwei anderen Gipfeln, dem Urus Este (5423 m) und dem Ishinca (5530 m), einer atemberaubenden Aussicht, einer etwas erfrischenden Nacht im Ishinca-Hochlager auf über 5000 m, einer neu eingebohrten, wirklich schönen 6c-Sportklettertour an einer steilen Granitwand nahe dem Basecamp, ein bisschen Bouldern und viel leckerem Essen von den beiden Köchen.
Am Montag kam dann eine Schlechtwetterfront mit Sturm, und nachdem uns der Wind in der Nacht fast unsere Zelte weggerissen hatte, überwog die Sehnsucht nach einem weichen Bett, einer warmen Dusche, einem festen Dach über dem Kopf und der Wunsch, die vier von uns wieder zu sehen, die wegen Krankheit vorzeitig das Basecamp verlassen mussten. Und so ging's am Dienstag wieder zurück nach Huaraz.
Die darauffolgenden Tage in Huaraz haben wir genutzt, um wieder fit zu werden, ein paar Kletterrouten zu sehen, in den "Hot Springs" (einem peruanischen Thermalbad = ein Schwimmbecken mit warmem, dunkelbraunem Wasser) zu entspannen und unzählige Schachpartien zu spielen.
Drei von uns, die noch nicht genug von Schnee, Eis und Kälte hatten, sind gestern ins Santa Cruz Tal aufgebrochen, wo der Alpamayo, der offiziell schönste Berg der Welt auf sie wartet.
Für mich und den Rest unserer Gruppe beginnt heute die letzte Etappe unserer Expedition: Ziel ist eine bis jetzt eher unbekannte, ca. 500 m hohe Felswand, die gerne ein paar Erstbekletterungen sehen würde.