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Gedanken zum Tag der Berge

von Csaba Szépfalusi, Bergsportreferent Alpenverein Edelweiss

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2002 zum “Internationalen Jahr der Berge” erklärt. Ein Jahr später verabschiedete die Generalversammlung der UNO eine Resolution und der 11. Dezember wurde zum internationalen Welttag der Berge (International Mountain Day) erklärt. 

Ziel ist es, Menschen für die Probleme und die Besonderheiten von Bergregionen zu sensibilisieren. Der Berg ist ein faszinierendes Ökosystem mit einer vielfältigen Fauna und Flora. Gebirge bedecken rund 27 Prozent unserer Erdoberfläche und bieten dem umsichtigen Touristen neben Erholung und Ruhe auch spannende Touren und spektakuläre Blicke. Wollen wir die Berge erhalten, müssen wir sie schützen. Quelle


Von A wie ASICS bis Z wie Ziel

 

A.S.I.C.S

Anima Sana in Corpore Sane. Die Laufschuhmarke spricht zu uns: Eine gesunde Seele in einem gesunden Körper. Kaum eine körperliche Aktivität kann dieses Ergebnis besser unterstützen wie der sportlich unterschiedlich gewichtete Aufenthalt an der frischen Luft, in der Natur und in den Bergen. Wenn es unseren Körper gut geht, geht es unserem Geist auch gut. Was unseren Körper gut tut, tut auch unseren Geist gut. 

Wichtig dabei: Auf die Dosis kommt es an. Klein anfangen, nichts überstürzen, langsam steigern, konsequent trainieren und schwitzen, und dann ernten. Auf dem Kahlenberg, dem Schneeberg oder dem Großglockner, oder einfach unterwegs. Jede Ernte ist individuell wertvoll. Das ist das Schöne am Bergsteigen: die Leistung, die körperliche Anstrengung ist nicht Selbstzweck, sie ist nicht das Ziel. Sie ist nur Mittel zum Zweck. Ziel ist das Tun selbst, der Aufenthalt in der Natur und in den Bergen. Ziel ist das Erlebnis Berg in all seinen bekannten und unbekannten Facetten. Jeder erlebt und empfindet ein wenig anders, aber jedem können die Berge etwas geben. 

 

Ausbildung

Talent kann man haben, aber alpinistisches Können wird einem nicht in die Wiege gelegt, das muss man erlernen. Entweder jemand nimmt einen bei der Hand und zeigt einem, wie’s geht, oder man nimmt sein Schicksal selber in die Hand und kauft sich ein Lehrbuch und/oder besucht einen Kurs. Es ist gut, aus den Erfahrungen und Fehlern anderer zu lernen. Diese sind auch Grundlage für Weiterentwicklungen in allen bergsportlichen Bereichen. Daher ist man sowieso laufend gefordert, um am Ball zu bleiben. Denn die Dinge werden nicht einfacher, sondern komplizierter. Ohne Wissen und Können geht da gar nichts mehr. Die selbst gemachten Erfahrungen sind gut und wichtig, aber sie reichen als Lehrmeister bei weitem nicht aus.

 

Ausrüstung

Die Ausrüstung ist am Berg kein Erfolgsgarant, aber sie ist ein elementarer Beitrag zum Gelingen einer Tour, sofern sie richtig gewählt und gekonnt eingesetzt wird. 

Was beeinflusst unser Kaufverhalten noch? Der Preis, das Gewicht, das Volumen, das Design, das Image, die Funktion, der Nutzen, der soziale und ökologische Fußabdruck. Je mehr man sich damit beschäftigt, umso komplexer erscheint das Thema und umso mehr fließen subjektive Aspekte ein. Das sorgt für regen Meinungsaustausch, belebt das Geschäft und fördert die technische Entwicklung.

 

Bergkameradschaft

Neutral betrachtet geht es bei dieser Bezeichnung um die Betonung des Gemeinsamen und der gegenseitigen Unterstützung und Hilfsbereitschaft im Interesse des Gelingens einer Unternehmung. Oft kann das Ziel nur erreicht werden, wenn zwei oder mehrere Personen zum Beispiel in einer Seilschaft unterwegs sind, um sich zu sichern. Aber auch beim Wandern kann ein Stolperer dazu führen, dass jemand nicht mehr weiter kann. Und die äußeren Umstände (Sturm, Kälte, Dunkelheit) so eine Situation schnell zum Ernstfall machen. Da ist es natürlich fein, wenn ein*e Begleiter*in unterstützen und helfen kann. Dass der Begriff historisch ein wenig belastet und aus der Mode gekommen ist, soll an seiner ursprünglichen Bedeutung und an seinem Wert nichts ändern.

 

Bergrettung

Jährlich verunglücken in Österreich rund 300 Menschen tödlich. Die meisten davon beim Wandern. Weil auch die meisten wandern und nicht auf Hochtour gehen. Nicht jeder Notfall ist ein Unfall. In Bergnot kann auch geraten, wer sich verirrt und nicht mehr weiter weiß, man nennt das Blockierung. In all diesen Fällen sind der Griff zum Handy und der Anruf bei der Bergrettung (140) oder beim Euro-Notruf (112) eine der ersten Maßnahmen. Wenn der Heli nicht sofort zur Stelle sein kann (Dunkelheit, Nebel, Wind), ruht die Hoffnung auf der terrestrischen Hilfe durch die Bergretter*innen. Diese machen sich auf die Suche, kümmern sich um die Erstversorgung und die Bergung. Sie urteilen nicht über eventuell gemachte Fehler, werten ihre Einsätze aber selbstverständlich aus und leisten damit ihren Beitrag zur zukünftigen Vermeidung von Notfällen und Rettungseinsätzen. 

 

Betretungsfreiheit

Es ist ein Privileg unserer Zeit, dass die Natur für uns mit wenigen Ausnahmen frei zugänglich ist. Früher war Natur feudaler Besitz und Wälder waren private Jagdgründe. Somit war auch der Zugang zu den baumfreien Gipfelregionen in den Hochlagen dem Volk versperrt. Erst das Forstgesetz von 1975 gab in Österreich jeder Person das Recht, Wald zu Erholungszwecken zu betreten und sich dort aufzuhalten. Jetzt ist erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Damit liegt es in unserer Verantwortung, was wir tun. Und wir müssen nicht alles tun, was erlaubt ist. RespekTiere ist eine Initiative, die uns bewusst machen will, dass wir in der Natur nur zu Besuch sind und dort den Lebensraum von Pflanzen und Tieren betreten und diesen beeinflussen und belasten. Es ist im Grunde ganz simpel: Wenn wir die Natur erhalten, erhalten wir sie auch als unseren Erholungsraum.

 

Einsam oder gemeinsam

In die Berge können wir alleine oder gemeinsam mit anderen. Manche Aktivitäten lassen sich nur in Begleitung von einer oder mehreren Personen durchführen, wenn man bestimmte Sicherheitsaspekte mitberücksichtigt. Kaum jemand von uns will seilfrei durch eine schwierige Wand klettern oder sich in einer Spalte versenken. Alleine wandern, einen Klettersteig begehen oder eine Skitour zu unternehmen, ist hingegen möglich. Mit Vorbehalt: Denn wenn etwas passiert, ist man auf sich allein gestellt und kann nicht automatisch mit Hilfe durch andere rechnen. Alleingeher*innen schöpfen ihre Sicherheit aus sich selber, durch ihr Können und ihre Routine und durch ihr defensives Verhalten. 

Der Vorteil der Gruppe ist auch das Teilen der Erlebnisse. Eine Tour gemeinsam durchzuführen, schweißt zusammen und bleibt nachhaltig in Erinnerung. Egal ob alles so gelaufen ist wie geplant oder Unvorhergesehenes gemeistert wurde. 

Mit der/dem Partner*in auf Bergtour gehen ist auch gut für die Beziehung, sagen die Beziehungsforscher*innen. Die gemeinsame Freizeitgestaltung kittet zusammen und hebt die Stimmung. Der Effekt hält aber nicht ewig an, auch das ist messbar. Es spricht also nichts gegen Wiederholungen!

Der Alpenverein Edelweiss bringt Menschen zusammen. Auf Tour bleibt genügend Zeit für einen entspannten Austausch, für Vernetzung und Tratsch und die Bildung neuer Freundschaften und Beziehungen.

 

Erfahrung

Jede Tour ist reich an Wahrnehmungen, Ereignissen und Erlebnissen, die zu unserem Erfahrungsschatz beitragen und diesen bereichern, sofern wir mit offenen Augen durch die Berge gehen, Dinge beobachten, kritisch hinterfragen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Daraus ergeben sich positive und negative Erfahrungen, die in Summe dazu beitragen können, dass wir bei der nächsten Tour mehr richtig und weniger falsch machen. Alles richtig machen wird’s kaum spielen, aber je mehr Erfahrung – und natürlich erworbenes Können und Wissen – wir in die Waagschale werfen können, umso besser sind wir gerüstet, um eine Situation souverän zu bewältigen.

 

Eroberung und Erschließung

Die Eroberung der Berge und die Erschließung der Bergwelt ist kulturhistorisch betrachtet ein Mosaikstein in der Eroberung der Welt. Genauso wie die Meere und die Pole und das Weltall harrten auch die Gebirge der Erde der wissenschaftlichen Erforschung und damit einhergehend der touristischen Erschließung. Erstbesteiger haben Duftmarken gesetzt, sich durch ihre Namen verewigt und durch die Erfolge auf immer höheren Bergen und schwierigeren Routen Grenzen versetzt. Viele sind bei ihrem Drang, Neuland zu betreten, auch gescheitert. Aber alle haben für die Nachwelt Pionierarbeit geleistet und daher auch die Alpen schrittweise zu dem gemacht, was sie heute sind. 

 

Die Alpen und die Berge der Welt

Der englische Historiker, Literat und Bergsteiger hat die Alpen als den „Playground of Europe“ bezeichnet. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Zeit der touristisch motivierten Erstbesteigungen der hohen Gipfel. Es war ein Wettlauf um Sieg und Ruhm. Dann kam die Erschließung der Täler durch Straßen, Beherbergungsbetrieben, Bergwegen und Berghütten. Schön langsam nahm der Tourismus Fahrt auf, den ersten Bergbahnen folgten die ersten Pisten. Heute sehen wir in den Alpen die am intensivsten erschlossene, genutzte und belastete Bergregion der Erde. Kein anderes Gebirge ist von der Zivilisation durch Besiedlung, Verkehrswege und Wirtschaft so durchdrungen. Dazu gehören u.a. auch die Berghütten und Bergwege, die es den Besucher*innen erleichtern, ihre Schönheit hautnah und mit Komfort zu erleben. Anderswo ist der Aufwand, der für das Bergerlebnis zu Fuß betrieben werden muss, bedeutend höher, sei es, weil es keine bewirtschafteten Hütten gibt, sei es, weil es überhaupt keine Hütten gibt. Dieses Privilegs sollten wir uns bei unseren Unternehmungen in den Alpen immer bewusst sein.   

 

Erosion

Berge sind Momentaufnahmen eines fortlaufenden Abbauprozesses. Die Erdgeschichte hat rund 4,5 Milliarden Jahre auf dem Buckel und in Abhängigkeit vom Lebenszyklus der Sonne auch noch einige Milliarden Jahre vor sich, wobei davon nur noch rund 500 Millionen Jahre Leben in der heute bekannten Form zulassen dürften (sagt Wikipedia). Wasser, Wind und Wetter nagen an den Bergen und verändern ihr Antlitz. Geologisch betrachtet alte Gebirge zeigen abgerundete Formen, jüngere Gebirge wie zum Beispiele der Himalaya oder die Alpen sind hingegen steil und felsig. Meist geht die Abtragung unendlich langsam vor sich, mal rumpelt es aber gewaltig. Muren, Hangrutschungen, Bergstürze und Lawinen verändern das Landschaftsbild und haben auch Einfluss auf unsere geplanten Touren. Nichts ist für ewig. Wir haben keinen Anspruch auf eine konservierte Landschaft.

 

Freiheit und Eigenverantwortung

Wir leben in einen Dilemma. Auf der einen Seite wird das gesellschaftliche Zusammenleben zunehmend reglementiert, um Sicherheit und Ordnung zu schaffen. Auf der anderen Seite erfolgt der Appell an die Eigenverantwortung, insbesondere dort, wo der Staat – aus welchen Gründen auch immer – nicht eingreifen will oder kann. Am Berg genießen wir große Freiheiten und diese gilt es auch zu erhalten. Freiheit ist aber natürlich nicht gleichzusetzen mit Anarchie, sondern verlangt von uns Rücksicht gegenüber den anderen und ein verantwortungsvollen Handel. Wir dürfen und wir müssen am Berg tagtäglich selber Entscheidungen treffen, für uns und auch für andere. Und für diese müssen wir auch geradestehen. Zum Glück geht es dabei allermeist nicht um Leben oder Tod. Der Berg ist durchaus fehlertolerant und lehrreich und daher eine wertvolle Schule fürs Leben.

 

Heroben die Freiheit, herunten die Qual

Wenn die Berge zum Fluchtpunkt werden, weil Beruf und Privatleben übermäßig belasten, kann das unterschiedliche Gründe haben, die hier nicht untersucht werden sollen. Hauptsache, der Berg wirkt. Psychohygiene ist ja etwas Gutes. Und nach dem Abstieg wird sich bald zeigen, wie nachhaltig der Effekt ist. Kann durchaus sein, dass eine einzige Tour noch nichts bringt, aber auf Dauer sollte ein positiver Trend spürbar werden. Berge können heilsam sein, zum Wegschauen und Negieren von Problemen eignen sie sich nicht, denn jedem Aufstieg folgt wieder der Abstieg.

 

Belastete Geschichte

Herausragende bergsteigerische Leistungen und Erfolge eignen sich für gesellschaftliche und politische Vereinnahmung. Im Positiven stärken sie das Selbstbewusstsein und sind identitätsstiftend. Im Negativen führen sie zur Selbstüberhöhung und zur Abwertung der Verlierer. Sportlichkeit und Fairness können dann schnell zu Statisten werden. Doping im Sport dient dem Doping für das Volk, für Machterhalt und für die Wirtschaft. Die Geschichte des (Berg)Sports ist seit dem 20. Jahrhundert voll von Negativbeispielen vom ganz rechten bis zum ganz linken Lager. Und auch kleine, neutrale Länder wie Österreich haben da Dreck am Stecken, unter der Sohle oder am Reifen kleben. 

 

Gipfel-Glück

Wenn geteiltes Leid halbes Leid ist, dann ist geteiltes Glück doppeltes Glück. Glücksforscher*innen haben sich das genau angeschaut: Natur und Berge machen glücklich, und wer seine Freude und seinen Erfolg mit anderen teilen kann, wird dieses Glück noch intensiver erleben und spüren. Kein Wunder, dass man sich auf dem Gipfel gratuliert durch ein Servus, Berg heil oder Berg frei und auch – hoffentlich bald wieder möglich – durch ein Gipfelbussi oder einen Schluck aus dem Flachmann.

 

Gipfelsturm und Heldentod

Hoffentlich merkt jede*r beim Lesen dieses Titel sofort die Ambivalenz in den beiden Begriffen. Was hat ein Gipfel mit einer Erstürmung zu tun? Der militärische Unterton verrät die Zeit, aus der die Wortschöpfung stammt. Schlimm, dass sie heute immer noch nicht aus dem Wortschatz getilgt ist: In Schladming gibt es ein Appartementhaus Gipfelsturm und die Ramsauer Bergführer vergeben bereits nach einem Anfängerkurs, der 2 ½ Stunden dauert, ihren Klettersteigschein „Gipfelstürmer“.

Beim Heldentod schaut es ein wenig anders aus, wenngleich auch hier die Nähe zu Kriegshelden und ihrer Verehrung augenscheinlich ist. Nach dem ersten Weltkrieg haben sich junge Männer an immer schwierigere Kletterrouten rangemacht, gleichzeitig war die Sicherungstechnik noch steinzeitlich. Ein Hanfseil um den Bauch und Partnersicherung über die Schulter oder bestenfalls über einen geschlagenen Haken…  Das konnte im Falle eines Sturzes mit viel Glück gut gehen, ging aber meistens schief. Was blieb, war die Würdigung des Bergtodes als heldenhaften Akt voll Mut, Tapferkeit und Todesverachtung. Dass diese Begriffe einem militärischen Jargon entsprangen, ist dem Zeitgeist geschuldet und daher auch nachvollziehbar. 

 

Hobby und Beruf

Bergsteigen ist in all seinen Ausprägungen vom Wandern bis zum Hochtourengehen mehrheitlich ein Hobby, das zum Beispiel in Österreich 600.000 Menschen als Mitglieder zum Alpenverein führt. Der Alpenverein vermittelt Veranstaltungen, die von ehrenamtlich tätigen Guides geleitet werden. Das Team Bergsport des Alpenvereins Edelweiss zählt derzeit rund 230 durchwegs zertifizierte Guides. 

Für eine kleine Gruppe ist Bergsport Haupt- oder zumindest Nebenberuf. Profibergführer*innen setzen tagtäglich ihr Leben ein, um zahlende Gäste heil über den Berg zu bringen. Profibergsteiger*innen müssen aufs Ganze gehen, die eigene und die allgemeine Leistungsgrenze hinausschieben und sich immer neue Ziele stecken, die andere vom Sessel reißen. Nur mit Rekorden und Superlativen bekommt man heute Aufmerksamkeit und kann damit Geld machen. Ein schmaler Grat zwischen Leidenschaft und Leistungsdruck mit ungewissem Ende. 

 

Für Jung und Alt

Die Berge haben für jede Altersgruppe ein individuelles Angebot parat. Für Kinder als Spielplatz betrachtete Landschaft bestehend aus Fauna und Flora, Wasser und Steinen am Wegesrand. Für junge Erwachsene unzählige Gelegenheiten und Plätze, um sich die Hörner abzustoßen, für Erwachsene großartige Kulissen und Panoramen, soweit das Auge reicht, Erlebnisse, Spannung und Abenteuer, aber alles wohl dosiert, denn mit dem Reifen und Altern kommt auch die Erkenntnis, was einem wirklich zuspricht und was nicht. Im fortgeschrittenen Alter werden kleinere Kuchen gebacken, weil der Körper schwächelt, aber auch weil sich der Geist zur Ruhe setzen will. Immer gilt: Jede*r kann sich ihr/sein Programm selber zusammenstellen, mal gemütlicher, mal anspruchsvoller, mal kürzer, mal länger, mal allein, mal gemeinsam, nach Lust und Laune und Verfassung und Verhältnisse.

 

Klimawandel

Es war ein langer Weg zur Einsicht, dass der Klimawandel in der heute festgestellten Geschwindigkeit von der globalen Zivilisation verursacht und zu verantworten ist. Und noch immer ist die Interessenslage in einzelnen Staaten zu unterschiedlich, um zu erreichen, dass alle gemeinsam an einem Riemen reißen. In der Zwischenzeit schmelzen die Gletscher unwiderruflich ab. Wer hätte noch vor zwei Jahrzehnten gedacht, dass in einigen Jahrzehnten die Alpen eisfrei sein würden und die übernächste Generation Hochtouren nur noch aus Erzählungen und Bildern kennen wird, sofern sie sich überhaupt dafür interessieren sollte. In der Zwischenzeit verabschiedet sich der Permafrost von den hohen Bergen und lässt diese in sich zusammenbrechen. In der Zwischenzeit legen Orkane unsere Wälder flach und Bolsonaros & Co helfen mit Feuer nach, wo die Gier nach dem schnellen Geld die Ausbeutung der Natur antreibt. In der Zwischenzeit werden in den Weltmeeren Inselgruppen überflutet und ihre Bevölkerung muss die Flucht antreten. Landstriche werden hier überschwemmt, dort überwüstet. Müssen es Heidelbeeren oder Steaks aus Südamerika sein? 

Schön langsam geht es dem Individualverkehr in den Städten an den Kragen. Auch das Wachstum auf Teufel komm raus ist infrage gestellt und der freie Markt stößt an seine Grenzen. Wir müssen Verzicht lernen, um zu überleben. Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Landes, insbesondere aber der Wirtschaftsmächte in West und Ost, Nord und Süd, wie es mit dieser Erde und wie es mit der Natur und dem Bergsteigen auf dieser Erde weitergeht. Es liegt aber auch in der Verantwortung jedes einzelnen von uns und jede*r kann und muss einen Beitrag leisten.

 

Land und Leute 

Wer in die Berge geht, wird etwas erleben, im Wienerwald genauso wie anderswo weltweit. Mit dem Bergerlebnis ist auch das Kennenlernen von Menschen und Kulturen eng verbunden. Andere Länder bedeuten andere Sprachen, Traditionen, Bräuche, Sitten, Geschmäcker, Werte, Religionen, Geschichten. Ihre Kenntnis bereichert unser Wissen und erweitert unseren Horizont. Sie schafft Verständnis und fördert Toleranz, Akzeptanz und Respekt. Sie relativiert uns, hält uns einen Spiegel vor, stellt uns selber infrage und regt uns dazu an, uns neu auszurichten. Mobilität und Kommunikation fördern die Einsicht, dass wir unsere eine Erde nur gemeinsam vor Ausbeutung und Zerstörung schützen können.

 

Leistung und Training

Bergsport ist Leistungssport. Ohne körperliche Anstrengung wird niemand rauf und wieder runter kommen. Selbst auf einem Wienerwaldberg wird dein Körper auf Touren und du ins Schwitzen kommen. Je nach gewählter Tour sind die Anforderungen unterschiedlich. Schätze dein Leistungsvermögen richtig ein, damit du trotz Anstrengung die Tour genießen kannst. Denn beim touristischen Bergsport geht es nicht darum, Rekorde zu brechen, sondern darum, über die körperliche Leistung Freude am Tun und Erleben zu verspüren.

 

Mobilität

In der zunehmend urban ausgerichteten Welt ist der Wunsch nach (Frei)Zeit in der Natur ein Mobilitätsmotor. Wir wollen raus ins Grüne, und das möglichst schnell, individuell und bequem. Damit verursachen wir Emissionen und leisten der Versiegelung der Landschaft durch neue Verkehrswege und touristische Infrastruktur Vorschub. Vor Ort mögen wir naturnah und umweltschonend agieren, aber unser Weg zum Berg ist mit vielen Natursünden gepflastert. Jene Familie, die den Sonntag in einem Wiener Park verbringt, hat einen bedeutend besseren ökologischen Fußabdruck als jene, die mit dem eigenen Pkw zu Schneeberg und Rax und wieder zurückgefahren ist. Öffi-Anreise, Fahrgemeinschaften, sanfter Tourismus, Bergsteigerdörfer statt Hotelburgen. Die guten Beispiele sind bekannt, wir sollten ihnen folgen.

 

Natur und Umwelt

Bereits 1927 hat der Österreichische Alpenverein in seinen Statuten die Erhaltung und den Schutz der Bergwelt festgeschrieben. Heute ist er in Österreich eine staatlich anerkannte Umweltorganisation mit Parteienstellung bei UVP-Verfahren. 

Am besten kann man die Alpen schützen, wenn man sie in Ruhe lässt. Das ist aber illusorisch, denn die Alpen sind ein jahrtausendealter Kulturraum mit einer wechselvollen Geschichte, die durch die Begegnung unterschiedlicher Völker und das politische Zusammenspiel der einzelnen Alpenländer bestimmt wird. Es ist also verständlich und nachvollziehbar, dass die Alpen nicht nur Siedlung und Wirtschaftsraum, sondern auch Erholungsraum für die Bevölkerung und die sie besuchenden Gäste aus aller Welt sind. Daher ist es eine Verpflichtung, dieses Gebirge als Lebensraum für Pflanzen und Tiere in ihrer Vielfalt zu erhalten. Der Nutzungsdruck auf die Alpen steigt weiterhin, auch durch die steigende Zahl der Mitglieder des Alpenvereins, die die Berge mehr oder weniger intensiv besuchen und für ihre Freizeitgestaltung in Anspruch nehmen. Wir müssen uns dieser Belastung, die wir ausüben, bewusst sein und entsprechend auch Verantwortung dafür übernehmen. Wir müssen unser Verhalten anpassen, um zu erhalten und zu schützen, was wir nützen wollen.

 

Navigation

Ein Dauerbrenner am Berg ist die Orientierung, heute zunehmend als Navigation bezeichnet. Zahlreiche klassische Hilfsmittel unterstützen die Fortbewegung und das treffsichere Erreichen des Ziels: Wege, Markierungen, Schilder, Karten, Kompass, Höhenmesser. Dazu kommen in jüngster Zeit GPS-Geräte und das Smartphone. Dieses zeigt am Display, wo man sich auf der Karte und damit auch im Gelände befindet. Die geplante Route kann man sich mittels eines Tracks von einem Portal herunterladen oder selber erstellen. Verloren gehen ist damit praktisch unmöglich. Beachte dabei immer drei Dinge: 

- Das Gelände hat immer Recht: mach nicht den Schritt in den Abgrund, nur weil das GPS dich dorthin weist. 

- Das Wetter wird davon nicht besser, wenn ich im Sturm weiß, wohin ich gehen muss.

- Was, wenn dein Smartphone versagt?

Mach dich nicht zu sehr abhängig. Sichere dich ab und arbeite an deinen eigenen Fähigkeiten.

 

Österreichischer Alpenverein und Alpenverein Edelweiss

Der Österreichische Alpenverein wurde 1862 gegründet und ist heute mit rund 600000 Mitgliedern der bei weitem größte und mitgliederstärkste alpine Verein in Österreich. Der Alpenverein Edelweiss wurde 1946 gegründet und ist mit 61000 Mitgliedern der größte von rund 200 Zweigvereinen des Österreichischen Alpenvereins. Er besitzt acht Hütten und Häuser und betreut 200 km Wege. An seinem Sitz in der Walfischgasse 12, 1010 Wien, betreibt er ein Büro, einen Shop und den größten alpinen Ausrüstungsverleih Österreichs. 230 durchwegs zertifizierte, ehrenamtlich tätige Guides leiten rund 1000 Veranstaltung (Kurse und Führungen) im Jahr, drinnen und draußen, im Wienerwald und weltweit. Das vereinseigene Reisebüro WELTbewegend Erlebnisreisen veranstaltet Reisen in nah und fern und in seiner Bergsteigerschule leiten Profibergführer*innen Kurse und Touren im gesamten Alpenraum. Der Alpenverein Edelweiss betreibt mit dem Edelweiss-Center die größte Boulderhalle Österreichs und bietet an insgesamt drei Standorten Indoor-Kletterkurse, Workshops und Fitnesstrainings an. 

Hier geht es zum Programmangebot.

 

Selbsterfahrung

Unser Alltag ist geregelt und abgesichert. Wir sind ein winzigkleines Mosaiksteinchen eines riesigen gesellschaftlichen Projektes, das nie zu einem Abschluss kommen wird. Wir leisten unseren Beitrag und halten uns an verordnete Gesetze und überlieferte Werte. Am Berg werden die Karten neu gemischt. Dort ist zwar auch nicht alles möglich und erlaubt, aber wir werden nicht an der kurzen Leine geführt, sondern sind in viel größerem Maße Herr unserer selbst. Und wir tragen große Verantwortung für uns selber, denn die getroffenen Entscheidungen haben eine große Tragweite. Es ist nicht egal, wohin wir steigen und welchen Weg wir einschlagen. Es ist nicht egal, wie wir das Wetter und den Schnee einschätzen, welche Ausrüstung wir mitnehmen und wie wir sie einsetzen zu unserer Sicherheit und zur Sicherheit unserer Begleiter*innen. 

Wie geht es uns, wenn wir so viele Entscheidungen für uns selbst treffen müssen? Sind wir souverän oder überfordert? Können wir die Tour noch genießen oder macht uns der Druck fertig? Was genau belastet uns? Wenn wir das wissen, können wir nachjustieren und die Erkenntnis für uns nutzen. Am Berg auf der nächsten Tour und hoffentlich auch im Alltag.

 

(Un)Sicherheit

Niemand geht in die Berge, weil es dort sicher ist. Bergsport ist Risikosport. Je nach Aktivität sind die Gefahren unterschiedlich groß, beim Wandern weniger, bei Hochtouren mehr. Durch Ausbildung und Erfahrung, Ausrüstung und Planung, Training und Fitness kann das Risiko kalkuliert und minimiert werden. Ziel ist ja, dass wir auf diesem Fundament aufbauend einen schönen Tag erleben, ohne einem Übermaß an Nervenflattern, Druck und Stress.

Der Alpenverein Edelweiss liefert in seinen Kursen das Know-how für die Planung und sichere Durchführung deiner Tour. 

 

Sinneswahrnehmung

Den Erholungsraum Natur im Allgemeinen und Berg im Besonderen können wir mit allen Sinnen erleben. Zunächst einmal bekommen wir ihn zu Gesicht, können ihn betrachten und bewundern, die Farben und Formen, Fauna und Flora das Wetter und den Wandel. Wir können zu jeder Jahreszeit die Vegetation riechen, den Bärlauch im Frühling, die Blumenwiese im Sommer und den Moder im Herbst, aber auch die Hütte, wenn wir uns ihr annähern, und die Tiere, wenn wir über eine Alm oder einen Bauernhof wandern. Und unseren Schweiß mangels Wechselleiberl oder Waschgelegenheit. Wir können den Untergrund fühlen, den weichen Waldboden und den kältestarr knirschenden Rasen, die festen Steine und das lose Geröll. Wir können die runden und die scharfen Griffe ertasten, den Pulverschnee und das Wasser. Wir können die Natur schmecken, die Kirschen im Juni, die Heidelbeeren im August, die Zwetschken und die Walnüsse im Herbst, das reine klare Wasser, wo immer es fließen mag. Und wir können zuhören, wie der Regen prasselt, der Wald im Wind rauscht, der Hirsch röhrt, die Vöglein zwitschern. All diese Erscheinungen nehmen wir bewusst und unbewusst wahr, und sie sind mal wohltuend und entspannend, mal mahnend und warnend. 

Jedenfalls sind wir am Berg weit weg von jeglicher Reizüberflutung, wie wir sie aus dem Großstadttrubel kennen. Jeder Impuls hat unmittelbar mit unserem Aufenthalt in der Natur und am Berg zu tun und gehört zu diesem dazu. Daher ist es gut und auch wichtig, dass wir mit allen geschärften Sinnen unterwegs sind.

 

Versicherung

Jedes Alpenvereinsmitglied ist über der im Mitgliedsbeitrag enthaltenen Prämie versichert. Kinder (sofern gemeldet) sind über die Eltern/ein Elternteil bis zum 18. Lebensjahr (auf Antrag bis zum 27.) gratis versichert. Die Versicherung deckt die Bereich Bergung, Rückholung, medizinische Versorgung, Rechtschutz, Haftpflicht ab, zum Teil weltweit, zum Teil in Europa, zum Teil nur im Ausland. Details dazu sind im Kleingedruckten nachzulesen. Die Versicherung ist eine der meistgenannten Beitrittsgründe zum Alpenverein. Sie kann eine Notlage oder einen Unfall nicht verhindern, aber die daraus entstehenden finanziellen Belastungen übernehmen bzw. abfedern. Daher ist sie eine gute Absicherung für ein Ereignis, dass hoffentlich nie eintreten wird.

Manche kritisieren eine sogenannte Vollkasko-Mentalität, die sich unter den Versicherten breitmacht. Ich bin versichert, also riskiere ich mehr, denn mir wird ja eh kostenlos und rasch aus der Patsche geholfen. Ist das so? Habe ich überall am Berg Handyempfang? Kann der Heli immer fliegen? Kann ich meinen Standort immer genau genug mitteilen? Und noch etwas: Es mag ein Recht auf Risiko geben, aber es gibt kein Recht auf Rettung.  

Unsere Versicherung.

 

Der Weg ist das Ziel

Dieser Satz ist ziemlich abgedroschen. Der eine spricht ihn aus, weil er damit aus welchen Gründen auch immer seinen Gipfelverzicht verharmlosen will, die andere, weil für sie das Unterwegssein an sich die Hauptmotivation darstellt. Peter Habeler hat eines seiner Bücher so betitelt: Das Ziel ist der Gipfel. Wenn es um die Eroberung von Neuland oder um die erstmalige Realisierung eines Projektes geht, dann ist das tatsächlich so. Da geht es um alles oder nichts. Wer nicht ganz oben war, ist gescheitert. Der Weg, den er bis dorthin zurückgelegt hat, verliert urplötzlich an Wert. Ein hartes Geschäft. Auch Hobbybergsteiger*innen unterliegen diesem Druck, denn auch ihre Ziel haben etwas mit der eigenen Leistungsfähigkeit zu tun und sind von ihrem Ehrgeiz mitbestimmt, vor allen in jungen Jahren, wenn man nicht weiß, wohin mit Energie und Tatendrang. Erst in späteren Jahren, wenn der Motor zu stottern beginnt und die Knochen müde werden, bekommt wieder der Weg an sich mehr Wert. Er kann durchaus immer noch auf einen Gipfel führen, aber es muss nicht mehr ein Superlativ damit verbunden sein. Hauptsache man ist unterwegs, genießt den Tag und geht den schönen Weg weiter.

 

Wege und Hütten

Alpine Vereine und Private halten Berghütten instand und betreiben diese für touristische Zwecke. Der Schutzhüttencharakter hat auch heute seine Bedeutung, vor allem bei widrigen Verhältnissen wie Niederschlag, Kälte und Sturm. Komfort steht dazu nicht im Widerspruch, gute Verpflegung, sanitäre Einrichtung bis hin zu getrennten Toiletten, Waschräumen und Duschen und komfortable Übernachtungsmöglichkeiten in kleinen Einheiten in Zimmern und Lagern erfüllen zeitgemäße Standards und Ansprüche. Hohe behördliche Auflagen hinsichtlich Betrieb, Ver- und Entsorgung bedeuten hohe finanzielle Belastungen unter erschwerten Bedingungen am Berg. All das hat seinen Preis.

Wege werden erhalten, damit Menschen bequem und sicher Hütten, Übergänge und Gipfel erreichen können. Diese Anlagen sind das größte Sportgerät, welches landesweit der Bevölkerung und den Gästen zur Verfügung steht, und zwar kostenlos! Auch das hat seinen Preis. Aber dafür ist der Alpenverein da.

www.alpenverein-edelweiss.at