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Bergsport & Mobilität

Für die Alpengletscher ist es wahrscheinlich schon fünf nach zwölf.
Weil wir unsere Erde und unsere Berge lieben, müssen wir als Alpenvereinsfamilie und muss damit auch jedes Mitglied aktiv zu ihrem Schutz und zu ihrer Erhaltung beitragen. Und zwar sofort! 

Bilder & Text: Csaba Szépfalusi


Mit der Gründung des Österreichischen Alpenvereins im Jahre 1862 wurde die Erforschung des Alpenraums und ihre Erschließung durch Wege und Hütten eingeleitet. Aber schon sehr bald setzte sich der Alpenverein mit großem Einsatz für bedrohte Naturräume in den Alpen ein. Der Naturschutz wuchs neben dem Alpinismus und dem Hüttenwesen zu einer der tragenden Säulen des Vereins heran. Bereits 1927 wurde der Naturschutz in den Statuten des ÖAV verankert und unter dem Titel Vereinszweck steht in der aktuellen Fassung aus 2018 als Pkt. 6: „Schutz und Pflege der alpinen Natur und Umwelt als Anwalt der Alpen sowie Erwerb und Erhaltung von schützenswerten Gebieten; Durchführung von naturerhaltenden Maßnahmen wie Umweltbaustellen und Bergwaldprojekten.“ 1)

Man könnte jetzt kritisch anmerken, dass es nicht verwunderlich erscheint, wenn sich der Alpenverein für die Erhaltung der Bergnatur stark macht, geht es doch dabei um sein ureigenstes Betätigungsfeld. Jeder wird schützen wollen, was er für sich nutzen will. Das mag schon sein, aber durch den im Alpenverein ebenfalls verfolgten wissenschaftlichen Anspruch ist man schon früh zur Erkenntnis gelangt, dass die Berge nicht nur als Freizeitraum, sondern auch als Natur- , Lebens- und Kulturraum betrachtet, erhalten und daher geschützt werden müssen. Dass der Alpenverein sich dabei nicht als Verhinderer jeglicher Erschließung gegen die Wirtschaft und Gesellschaft stellen kann, wird gerade im Alpenraum, dem heute weltweit bei weitem am stärksten zivilisatorisch durchdrungenen und damit auch belasteten Gebirge, mehr als offenkundig. 

Das Bestreben des Alpenvereins ist immer darauf ausgerichtet gewesen, den Alpenraum in seiner Unversehrtheit und Ursprünglichkeit zu schützen und weitgehend zu bewahren. Die intakte Bergwelt steht für gute Luft, sauberes Wasser, vielfältige Fauna und Flora, traditionelle Kultur und Lebensform, sanften Tourismus zwischen Tal und Gipfel. Das waren und sind die Werte und Vorstellungen, die wir mit den Alpen assoziieren und die wir in der Freizeit gerne erleben und entdecken.

Im Zeitalter des Klimawandels stehen wir diesbezüglich vor neuen Herausforderungen. Die seit der Industrialisierung sukzessive und exponentiell massiv gestiegenen Treibhausgasemissionen belasten die Umwelt und verändern unser Klima auf dramatische Art und Weise. Das wiederum hat vielfältige, auch soziale Auswirkungen und ist z.B. weltweit auch einer der anerkannten Migrationsfaktoren. Die Menschheit muss sich heute eingestehen: „Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel zu spüren bekommt und die letzte, die etwas dagegen tun kann.“ Es ist fünf vor zwölf!

Dieses Tun verpflichtet uns alle: Jede/r ist gefordert, jede/r kann einen Beitrag leisten und es ist falsch, die Initiative der Politik und allgemein „denen da oben“ oder den großen Wirtschaftsmächten zu überlassen. Nehmen wir uns ein Beispiel an der Jugend, an allen Greta Thunbergs dieser Erde!

Vor Ort am Berg sind wir bei unseren alpinistischen Aktivitäten im Sinne des sanften Tourismus erfreulich umweltschonend unterwegs. Allerdings erhöht sich durch die steigende Zahl der die (Berg)Natur als Freizeitraum aufsuchenden Menschen auch der Nutzungsdruck, was nicht unberücksichtigt bleiben kann. Konflikte mit Grundeigentümern, dem Forst, der Jagd, den Schutzgebieten nehmen daher zu und können nur im Einvernehmen  gelöst werden. Der Umstand, dass im geltenden Forstgesetz im Wald- und Ödland weitestgehend Betretungsfreiheit gilt, soll nicht als Freibrief missverstanden werden, auch überall hin zu müssen.



Die Aufgabe und die Möglichkeiten, die sich uns als Alpenverein Edelweiss und die sich Ihnen als Mitglied bieten, um einen Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele zu leisten, konzentrieren sich stark auf das Thema Bergsport & Mobilität. 
Bei der Annäherung an den Berg gibt es zweifelsfrei großes Verbesserungspotential. Aufgrund der Tatsache, dass der Verkehr in Österreich rund 30 % der CO2-Emissionen verursacht, können wir hier, und zwar insbesondere bei unserer lieb gewonnenen individuellen PKW-Anreise, den Hebel ansetzen.

Eines muss uns allen dabei klar sein: Ganz ohne Verzicht, ganz ohne Komfortverlust, wird das nicht gehen. Wir müssen uns eingestehen: Wir betreiben Raubbau an der Erde, wir greifen in natürliche Gleichgewichte ein, wir zerstören Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten sterben aus, Gletscher verschwinden, Felsformationen brechen in sich zusammen, Berghänge erodieren und hinterlassen kahle Steinwüstungen. Warum wir? Weil unsere Lebensweise in all ihren Teilbereichen einen Anteil daran hat, global wirksam ist und vor Grenzen nicht halt macht. Auch die modernsten, scheinbar harmlosen Entwicklungen richten Schaden an: Jedes Skype- oder Whats-APP-Telefonat, jedes in eine Cloud geparkte Kilobyte, jede neue am Smartphone installierte APP erzeugt indirekt CO2-Emissionen. 



Was tut der Alpenverein Edelweiss? 
Wir wollen auf der einen Seite mit gutem Beispiel vorangehen und werden unsere diesbezüglichen Initiativen intensivieren und weiter ausbauen. Auf der anderen Seite setzen wir auf Aufklärung und Motivation.

• Seit einigen Jahren gibt der Alpenverein Edelweiss die Broschüre „Autofrei in die Wiener Hausberge“ heraus. Sie beinhaltet und beschreibt 37 ausgewählte Wanderungen, Schneeschuhwanderungen, Klettersteig- sowie Skitouren samt der konkreten Fahrplanangaben für An- und Rückreise. Die Broschüre wird jährlich aktualisiert aufgelegt, ist gratis erhältlich und kann auch als PDF heruntergeladen werden: alpenverein-edelweiss.at. Außerdem sind alle Touren online auf alpenvereinaktiv.com samt Fotos, Karten und GPS-Tracks abgelegt und auch in zwei Listen (Sommer/Winter) zusammengefasst.

• Schwerpunktmäßig sind wir bestrebt, bei unseren Outdoor-Veranstaltungen (Touren und Kurse) die Öffi-Anreise zu forcieren. 2019 lagen wir bei einem Öffi-Anteil von 20 %, wobei die Mehrzahl auf den Wanderbereich fällt. Diesen Wert wollen wir sukzessive erhöhen, indem wir bei der Planung darauf aktiv Einfluss nehmen und unsere Guides motivieren.

• Beispielhaft sei erwähnt, dass wir seit einem Jahr mit unserer Initiative Edelweiss light niederschwellige Veranstaltungen anbieten, worunter wir auch die Wiener Stadtwanderwege sowie die Etappen des Rundumadum Wien Rundwanderwegs verstehen. Alle Ausgangs- und Endpunkte dieser Touren sind mit den Wiener Linien schnell und unkompliziert erreichbar und der Wandergenuss beginnt damit praktisch vor der Haustür!

• Eine der von uns bereits implementierten Maßnahmen besteht darin, dass wir unseren Guides und MitarbeiterInnen die ÖBB-VorteilsCard finanzieren, sobald sich die Kosten dafür aufgrund der Öffi-Anreise zu Edelweiss-Veranstaltungen amortisiert haben.

• Bei der Buchung einer Veranstaltung haben TeilnehmerInnen die Möglichkeit, der Weitergabe ihrer Kontaktdaten für die Bildung von Fahrgemeinschaften zuzustimmen. Unser Ziel: Wir wollen nicht, dass Autos mit ein oder zwei Insassen unterwegs sind, sondern mit drei oder vier!

• Vor einigen Jahren haben wir uns erstmals einen Edelweiss-Bus zugelegt, und seit heuer steht ein fast neuer 8+1 VW-Allradbus ganzjährig zur Verfügung, um eine gemeinsame, für unsere TeilnehmerInnen stressfreie und umweltfreundliche Anreise zu ermöglichen.

• In unserem Mitgliedermagazin voidabei drucken wir Tourentipps ab, die mit Öffis erreichbar sind (siehe in diesem Heft auf S. 32-33). Diese Touren sind natürlich auf www.alpenvereinaktiv.com online verfügbar und dort zusätzlich in der Liste „Edelweiss-Tourentipps“ versammelt. Auch zu allen unseren Edelweiss-Hütten und -Häusern haben wir Tourentipps verfasst und dabei die Anreise mit Öffis besonders hervorgehoben.

• Unser Wander- und Schneeschuhguide Martin Heppner betreibt eine eigene Seite www.bahn-zum-berg.at, die sich ausschließlich diesem Thema widmet. In der nächsten Ausgabe von voidabei wird er ausführlich über seine Erfahrungen und Erkenntnisse berichten. 

• Natürlich ist auch der Österreichische Alpenverein als „Anwalt der Alpen“ zum Thema Naturschutz und Klimawandel sehr aktiv. Ausführliche Infos dazu auf www.alpenverein.at/portal/natur-umwelt.


Was können Sie tun? 
Zunächst das Grundsätzliche: Sie können und Sie sollten etwas (mehr) tun. Alles ist besser als der sogenannte, aus der Psychologie bekannte Zuschauereffekt: Solange die anderen nichts tun, tue ich auch nichts. Es geht also auch um Vorbildwirkung und Nachahmung:

• Fahren Sie mit dem Rad zum Einkauf oder zur Arbeit, selbst wenn das Wetter nicht immer dazu einlädt. 

• Fahren Sie mit den Öffis zur Arbeit, selbst wenn in der Bim die Luft im Morgen- und Abendverkehr nicht ganz so frisch riecht! 

• Bilden Sie Fahrgemeinschaften – auf dem Weg zur Arbeit und auch in der Freizeit, selbst wenn Sie sich dadurch mit anderen Menschen besser abstimmen und damit einige Freiheiten verlieren sollten.

• Planen Sie bewusst Ihre Freizeit und Ihren Urlaub mit Öffis. Nutzen Sie dadurch auch die Möglichkeiten von Überschreitungen eines Gipfels oder von ganzen Gebirgsgruppen von Hütte zu Hütte. Sollte ein Ausgangspunkt mit Öffis nicht erreichbar sein, gibt es oft die Möglichkeit, vor Ort ein tarifgestütztes Taxi zu verwenden. 

• Verbringen Sie Ihren Urlaub bewusst in der näheren Umgebung nach dem Motto: Man muss nicht weit fahren, um etwas für seine Fitness und Erholung zu tun und um zu sich selbst zu finden!

• Suchen Sie sich Ihr Urlaubsziel bewusst aus, z.B. indem Sie dabei auf sanften Tourismus setzen und die Bergsteigerdörfer des Alpenvereins besuchen.

• Wenn Sie mit dem eigenen PKW zum Berg fahren: Halten Sie die Speedlimits ein, seien Sie kein CO2-Rowdy auf der Autobahn oder Landstraße. Und wenn schon Auto, muss es dann wirklich ein protziger SUV sein mit überschüssiger Power? Auch klar: E-Power ist besser – wenn auch noch nicht restlos befriedigend gelöst – als fossiler Antrieb.

• Lieber einmal ein erholsames, verlängertes Wochenende planen als jeden freien Tag hin und wieder zurück fahren und/oder stauen.

• Reduzieren Sie die Anzahl Ihrer Flugreisen in Europa und weltweit und denken Sie dabei immer an eine Kompensationszahlung, z.B. auf co2.myclimate.org oder atmosfair.de

• Die neue, türkis-grüne Regierung hat sich große Ziele gesetzt. Das österreichweit geplante 1-2-3-Ticket hat das Potential, unser Mobilitätsverhalten auch in der Freizeit grundlegend neu auszurichten und die Ökosoziale Marktwirtschaft ist ein guter Ansatz, um Umwelt- und Naturschutz und innovative, zukunftsorientierte Wirtschaftsentwicklung unter einen Hut zu bringen. 

Unser Engagement und unsere Phantasie ist damit noch lange nicht erschöpft und so werden wir Sie auch in den folgenden Ausgaben von voidabei informieren und motivieren. Soviel sei hier schon verraten: Wir arbeiten gerade ein Nachhaltigkeitsprojekt aus, werden alle unsere Tätigkeitsfelder einem entsprechenden Stresstest unterziehen und daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen und Maßnahmen setzen. 

Wir hoffen, dass hier auch für Sie einige Anregungen dabei waren. Wenn Sie selber eine Idee zum Thema haben, melden Sie sich bitte bei uns. Jeder Beitrag ist willkommen und wichtig, denn nur wenn alle mitmachen, können wir unsere gemeinsame Verantwortung wahrnehmen und den Klimawandel in den Griff bekommen!